Rede auf der Hauptversammlung vom 15.10.2011
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir haben uns heute Vormittag schon über die Wahlergebnisse und über erste Schlussfolgerungen für unsere politische Arbeit auf der Bundesebene, dem Landesverband Berlin und unserer Bezirksorganisation ausgetauscht.
Die Wählerinnen und Wähler haben entschieden, dass wir in Berlin jetzt Opposition sind.
Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf sind wir trotz großer Verluste von 7 Prozent die stärkste Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung.
Wir besitzen 19 Mandate, die SPD 16 Mandate sowie die CDU 10 Mandate. Die Piraten errangen 5 Mandate und leider konnten zwei Verordnete der rechtsextremen NPD den Einzug in die BVV schaffen.
Die Piraten werden nur 4 Mandate besetzen, da eine Verordnete zugleich über die Landesliste in das Berliner Abgeordnetenhaus einzieht.
Unsere Fraktion hat sich am 26. September 2011 konstituiert und den bisherigen Fraktionsvorstand mit der politischen Führung der Fraktion beauftragt. Am 10. Oktober 2011 traf sich der Fraktionsvorstand mit den neu in die Bezirksverordnetenversammlung gewählten Verordneten unserer Partei. Wir informierten über die Abläufe in der BVV und nutzten die Gelegenheit, sie in ihrem neuen Amt sehr herzlich zu begrüßen.
Da wir entsprechend des Wahlergebnisses das Vorschlagsrecht für zwei Mitglieder des Bezirksamtes haben, stellten sich am gleichen Tag Dagmar Pohle als Kandidatin für das Bürgermeisteramt und Julia Witt als Kandidatin für das Amt der Bezirksstadträtin in der Fraktion vor.
Zugleich nahmen wir die Bewerbung Petra Wermkes als Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung entgegen.
Die Fraktion begrüßte die Kandidaturen und unterstrich den Anspruch der Linken in Marzahn-Hellersdorf auf das Amt der Bezirksbürgermeisterin.
Am 24. Oktober 2011 wird sich die Fraktion über die Bildung von Ausschüssen in der BVV, die Geschäftsordnung der BVV und die Geschäfts- und Wahlordnung der Fraktion verständigen.
Am 27. Oktober 2011 konstituiert sich dann die BVV mit den Wahlen zum Vorstand der BVV und des Bezirksamtes.
Am 31. Oktober 2011 tagt die Fraktion und erfolgt die Wahl des neuen Fraktionsvorstandes.
Unsere neu gewählte Fraktion ist eine gute Mischung aus erfahrenen Kommunalpolitiker_innen und jungen Genoss_innen.
Als Ergebnis der Kommunalwahlen und der bisher vorliegenden Analysen werden wir unsere bisherigen kommunalpolitischen Ansätze selbstkritisch auf den Prüfstand stellen und unsere Methoden der Öffentlichkeitsarbeit im Bezirk, aber auch in der eigenen Partei in Frage stellen.
Die eigentlichen Wahlgewinner im Bezirk sind die Piraten. Sie haben aus dem Stand 8,6 Prozent der Stimmen erhalten. Sie haben das nicht nur erreicht, weil sich deren Wähler_innen ausschließlich für das Internet interessieren. Nein, es handelt sich vielmehr um ein Bekenntnis für eine andere, transparente Politik und politische Kultur.
Hier müssen wir uns auch in der Fraktion und als Mitglieder des Bezirksamtes verändern.
Als Linke müssen wir klarer darstellen, was es konkret nutzt uns politische Verantwortung zu übertragen. Wir müssen wieder lebendiger und offener werden. Wir müssen unsere inneren Konflikte und das Suchen nach neuen Wegen auch für die Bewohner_innen unseres Bezirkes nachvollziehbar machen.
Das gilt auch, wenn wir wie im Falle unseres Genossen Norbert Lüdtke, einen Weggefährten nicht mehr politisch stützen können. Norbert hat in seinem Wirken im positiven deutliche Spuren im Bezirk hinterlassen und ich bedaure es immer noch, dass der Kontakt zwischen uns nicht wieder aufgenommen werden konnte.
Die Verordneten der Linken müssen noch stärker in den Stadtteilen und im Kiez aktiv werden.
Dazu gehört, dass wir als Ansprechpartner und Kümmerer wahrgenommen werden und dass Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Personalräte, freie Träger der Sozial- und Jugendarbeit, Kulturvereine sowie Schulen und Sportvereine in uns Partner zur Teilhabe ihrer Arbeit sehen.
Wir haben in vielen dieser Bereiche an Einfluss verloren.
Dort, wo die Ausstattung nicht stimmt, dort wo keine Haushaltsmittel vorhanden sind und dort wo Bundesgesetze und Landespolitik uns einschränken, müssen wir das laut und deutlich sagen.
Und wir müssen um Verbündete ringen, die gemeinsam mit uns dagegen vorgehen wollen.
Die Rahmenbedingungen der Bezirkspolitik werden wesentlich durch den Bezirkshaushalt bestimmt. Die schon jetzt bekannten Ausgangsbedingungen für die Jahre 2012 und 2013 zeigen, dass die Haushaltsmittel nur knapp bemessen sind.
Wir fordern seit Jahren eine Altschuldenregelung für die Bezirke. Diese konnten wir unter rot-roten Bedingungen wegen der SPD nicht durchsetzen.
Hier wird sich unter rot-schwarzen Bedingungen eher eine Zuspitzung der Situation ergeben. Hier werden wir laut und deutlich gegenhalten müssen.
Wir fordern trotz knapper Kassen, dass die existierenden Stadtteilzentren beibehalten und dass keine gravierenden Eingriffe in die soziokulturellen Infrastrukturen des Bezirkes zugelassen werden.
Und wir werden so, wie wir die im Streik befindlichen Mitarbeiter_innen des Pflegewohnzentrums Alpenland GmbH in Biesdorf unterstützen, auch wieder stärker außerparlamentarische Aktionen fördern und mit initiieren, die sich gegen Sozialabbau, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und zunehmende Belastungen der Bürger_innen richten.
Die Linke wird als Partei der sozialen Gerechtigkeit, als antikapitalistische Kraft und Friedenspartei wieder stärker erkennbar werden!
Wir wirken mit allen demokratischen Parteien in der BVV gemeinsam gegen rassistische, rechtsextremistische und antisemitische Gewalt. Dazu werden wir vereinbaren, dass unser gemeinsames Manifest vom September 2011 in der BVV umgesetzt wird. In den ersten Sondierungsgesprächen mit den anderen demokratischen Parteien gibt es dazu bereits die Zustimmung.
Mit besonderer Aufmerksamkeit werden wir die Stadtentwicklung in den Siedlungsgebieten Mahlsdorf, Kaulsdorf, Biesdorf und Friedrichsfelde Ost mitbestimmen.
Hier fordern wir die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes und bitten unsere Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Antrag einzubringen.
Bis zu diesem Zeitpunkt treten wir für die Einhaltung der bisherigen Beschlusslage der BVV ein, die in den letzten Jahren verhinderte, dass dieses Gesetz auf Eigenheimbesitzer_innen angewendet wurde.
Als Linke werden wir das einst von der PDS Hellersdorf im Jahre 1995 entwickelte Konzept der „Erschließung von unten“ zur Grundlage weiterer Entwicklungen in den Siedlungsgebieten nehmen.
Dabei geht es darum, wie Mitbürger_innen kieznah in die Entwicklung einbezogen werden und wie sie über diese Entwicklungen mitbestimmen können.
Wir treten für die Weiterentwicklung des Bürger_innenhaushaltes, für die Fortsetzung von Einwohner_innenversammlungen, die Übertragung der BVV ins Internet und die Weiterentwicklung der Bürger_innenbeteiligung in den Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf ein.
Ich kann mir vorstellen, dass ein gesonderter Ausschuss der BVV sich mit den Fragen von Transparenz und Bürger_innenbeteiligung befassen kann.
Trotz der veränderten Rahmenbedingungen wollen wir weitere Gemeinschaftsschulen im Bezirk entwickeln und können uns einen solchen Standort auch in Mahlsdorf vorstellen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
die Grundlage unserer weiteren Arbeit im Bezirk bildet das von uns beschlossene Wahlprogramm.
Dabei setze ich auf neue Formen zum Dialog: innerhalb der Partei und in den Bezirk hinein. Unseren jungen Mitstreiter_innen ist es wesentlich zu verdanken, dass wir das Internet, entsprechende Foren und Vernetzungen in unsere einfließen lassen.
Noch stärker müssen wir aber auch mit den Antworten, den Kritiken und Anregungen umgehen.
Wir tagen als Fraktion schon seit den 90er Jahren öffentlich. Aber über was wir beraten wollen, was wir entscheiden sollen oder müssen und wo wir externen Sachverstand brauchen, haben wir nicht genügend dargestellt. Der neu zu wählende Fraktionsvorstand und die Mitglieder der Fraktion stehen hier gemeinsam mit unserer ganzen Bezirksorganisation vor schwierigen Herausforderungen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
die Linke muss zum einen ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Zum anderen muß die Linke durch ihr Wirken für eine sozial gerechte Politik auch die gewinnen, die wegen ihrer Ausgrenzung und sozialen Verhältnisse nicht mehr an der Wahl zum politischen System teilnehmen.
Dazu gehört, das selbstbewusst darzustellen, was erfolgreich im Bezirk erreicht wurde und wir durch unsere Mandatsträger_innen erfolgreich für den Bezirk erarbeitet haben.
Wir müssen als Kümmererpartei wahrgenommen werden und uns in den nächsten Wochen und Jahren zur Mitmachpartei entwickeln.
Für unsere Arbeit in der BVV werden wir sachkundige Bürgerinnen und Bürger als Bürger_innendeputierte gewinnen und ich bitte Euch darüber hinaus, gemeinsam mit uns die guten Aktivitäten des Wahlkampfes auch außerhalb von Wahlkämpfen in den Kiezen fortzuführen.
Mit Respekt – untereinander, mit mehr Transparenz, mehr originellen Gedanken und der Bereitschaft unsere eigene politische Arbeit zu hinterfragen.
Danke schön!
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